Hermann Herkenhoff
Fachwerkspeicher mit Backofen auf dem Hof Berelsmann/Lintker in Sudenfeld
So wie das Foto zeigt, sahen alle früheren Bauern-Backöfen aus. Dabei fällt auf, daß das Mauerwerk des Backofens nicht unmittelbar auf dem Erdboden ansetzt, sondern auf einer dicken Bohlenunterlage ruht. Der Backkofen stand mit seinem gesamten Mauerwerk völlig in der freien Luft; nur die Seite mit der Ofentür war leicht mit der Speicherwand verbunden. Das Freiluftgehäuse des Backofens konnte sich daher auch bei der direk¬ten Innenbeheizung mit „Buchensplittern" gleichmäßig nach allen Rich¬tungen ausdehnen. Eine Spezialmischung des Mörtels sorgte dafür, daß das gesamte Backofengemäuer einschl. des steinernen Tonnengewölbes keine schadhaften Risse und Brüche bekam. Weil das Tonnengewölbe die dünnste Mauer war, wurde zur Wärmeisolierung der Decke noch eine Iso¬lierschicht von einer ca. 45 cm dicken Sandschicht darüber aufgebracht. Und die ganze Backofenanlage wurde gegen Regen durch ein doppelseiti¬ges Dach gesichert. Die innere Heizfläche des Backofens hatte keinen Schornstein. Nach dem Anheizen kamen zunächst Rauch und Flammen auf der Vorderseite durch die offene Ofentür heraus. Bald aber übernahm die feurige Glut der Buchenscheite fast ohne Rauch die Beheizung der In¬nenfläche, die sich dann auch auf das gesamte Mauerwerk übertrug. Wenn der Backraum die nötige Temperatur aufgenommen hatte, wurde die Glut mit einem Krätzer aus dem Backofen nach vorne herausgezogen, und der Backraum wurde mit den in dem Teigtrog geformten Teiglaiben aus Rog¬genschrotmehl gefüllt. Hierbei wurden dann auch die von den Heuerleuten zugebrachten Brotteige mitgebacken. Am rentabelsten war das Backen, wenn der Ofen ausgelastet war. Es ist aber sicher auch zu der Zeit viel trockenes Brot in die warme Milch eingebrockt worden.
Zum Brotbacken gehört aber auch noch ein wichtiges Utensil, der „Deeig-troag", der hierbei nicht unerwähnt bleiben darf. Der Bauer hatte seinen Deeigtroag im Speicher an der Backofenwand stehen. Er hatte seinen Ar¬beitsplatz dicht an der Feuerstelle.
Wir hatten im Sandkrug auch seit Menschengedenken einen ausgewachsenen Teigtrog im „Unterschlag" stehen. Er war so lang wie der Eßtisch und war oben mit einem losen Deckel abgedeckt. Das ergab drei ganz an¬nehmbare Sitzplätze für uns drei Jungen am Eßtisch. Die Schwestern sa¬ßen auf der anderen Seite des Tisches auf der „Bank". Ruheplätze waren diese Sitzgelegenheiten aber nicht, denn sie hatten keine Rückenlehnen. Der Teigtrog war also in erster Linie ein Sitzmöbel für uns Kinder. Dann aber diente er als mausedichtes Behältnis für das Futtermehl der Schwei¬ne. Ich nehme an, daß der Teigtrog schon bei der ersten Möbelierung des Hauses vor ca. 200 Jahren seinen Platz im Unterschlag gehabt hat und auch zum Kneten des Brotteigs fleißig gebraucht worden ist. Dann war er nur noch Sitzmöbel und Mehlkiste aber sein Name blieb bis auf den heuti¬gen Tag „de Deeigtroag".
Einmal habe ich aber noch in meiner frühen Jugendzeit das Kneten des Brotteigs in dem „Deeigtroag" erlebt. Eines Tages kam der „Nachbar von der Höhe" zu uns und schob auf seinem Karren einen halben Sack voll Roggenschrotmehl auf die Diele. Ich bin nun als Kind immer schon etwas „niggelik" gewesen und habe mich bei dem alten Nachbar Franz dazugestellt und „gejahnt". Er fing nämlich an, das Futtermehl in dem einen Trog¬ende aufzuhäufeln und schüttete dann das Roggenschrotmehl in die frei¬gemachte Ecke des Trogs. Zum Ankneten mit den Händen mußte er sich stark bücken, denn der Trog befand sich mit seinem Boden nur etwa 15 cm über der Dielenhöhe des Unterschlags. Als das Kneten nun richtig losge¬hen sollte, setzte er sich auf den Trogrand, zog seine Schuhe (Holsken) und Socken aus und wusch seine Füße in der von der Mutter bereitgestellten Wasserschale. Dann drehte er sich auf dem Trogrand um und stand nun aufrecht mit den Füßen mitten in der Knetmasse. Nun hat er mit seinem ganzen Körpergewicht das Roggenschrotmehl zu einem steifen Brotteig mit den Füßen geknetet. Ich habe damals schon begriffen, daß es prak¬tisch ist für das Kneten mit den Fußen, wenn der „Deeigtroag" zu ebener Erde steht. Bei seiner Knetarbeit mit den Füßen handhabte er auch einen handlichen Brettschieber mit Lochführung für eine Hand, mit dem er den Teig immer wieder von den schrägen Innenwänden zur Mitte des Bodens zusammenschob. Damit formte er dann zum Schluß den ganzen Teig zu ei¬nem vierkantigen Stück Brotteig von etwa 35 cm Länge (mit ähnlichen Maßen für Höhe und Breite).
Soweit die Reise mit Backofen und „Deigtroag" in die Hagener Heimatge¬schichte. Und das Kneten mit den Füßen ist die Arbeitspraxis der früheren Jahrzehnte gewesen. Der Backofen steht noch, aber der Teigtrog ist schon seit langem den Weg alles Irdischen gegangen. Wenn es noch irgendwo in Hagen einen „Deigtroag" gibt, dann möge der Besitzer doch dafür sor¬gen, daß er trocken und luftig gelagert bleibt, damit wir später einmal die beiden zusammengehörigen Zeugen der bäuerlichen Heimatgeschichte in einem Heimatmuseum aufzeigen können.
Anmerkungen:
Dieser Beitrag ist neben vielen anderen in unserem Buch „Hagener Geschichten“ enthalten.
Beim „Sandkrug“ handelt es sich um das Geburts- und Elternhaus des Verfassers, Heuerhaus des Hofes Meyer to Bergte an der heutigen Sudenfelder Straße