Auflösung des Haushalts von Pastor Görsmann im Jahre 1941

Nachrichten aktuell Hagen a.T.W., 1/2013, S.28-31

Auflösung des Haushalts von Pastor Görsmann im Jahre 1941

Johannes Brand

Vor einigen Jahren kamen bei der Restaurierung des Hofes Schopmeyer an der Natruper Straße alte Akten des Auktionatorfamilie Schopmeyer/Schoppmeyer zum Vorschein. Darunter befand sich auch ein Versteigerungs-Protokoll aus dem Jahre 1941, das den Besitz des Gellenbecker Pastors Gustav Görsmann betraf. Über diesen Fund soll hier berichtet werden.

Zunächst seien Pastor Görsmanns Schicksalsdaten aus dem Jahr 1941 in Erinnerung gerufen:

  • 7. März: Verhaftung wegen unerlaubten Gottesdienstes mit französischen Kriegsgefangenen im August 1940
  • 2. April: Verurteilung zu vier Wochen Gefängnis. Da die Untersuchungshaft angerechnet wurde, kam Görsmann wieder frei.
  • 27. Juni: In den Augen der Gestapo galt er als unverbesserlich und wurde deswegen nun von der Gestapo in sogenannte Schutzhaft genommen. Es drohte das Konzentrationslager.
  • 4. August: Er verzichtete auf Anraten des Generalvikariats auf die Pfarrstelle, um dem KZ zu entgehen.
  • 28. September: Sein Nachfolger Heinrich Kirchner wurde als Pfarrer in Gellenbeck eingeführt und Görsmann dennoch am selben Tag in das KZ Dachau überstellt.

Fensterbild von Karl Jakubietz in der Sieben-Schmerzen-Kapelle in Natrup-Hagen

Im Interesse der Gestapo war es, dass Pastor Görsmann aus dem Blickfeld seiner Gemeinde verschwinden sollte, um dort keinen Einfluss mehr auf die Gesinnung der Menschen zu haben. In Absprache mit der Familie seiner Schwester Elisabeth Recker war vorgesehen, dass er zu ihr nach Köln ziehen sollte. Da gleichzeitig schnell die Nachfolge geregelt werden musste, um keine Unruhe in der Gemeinde aufkommen zu lassen, war es notwendig, umgehend die Wohnung im Pfarrhaus zu räumen und Görsmanns Haushalt aufzulösen. In einem Brief teilte das Generalvikariat der Gestapo in Osnabrück am 15. September 1941 mit, dass Heinrich Kirchner am 25. des Monats seinen Dienst in Gellenbeck aufnehmen werde, und fügt eigens hinzu: „Der Hausrat des Pfarrers a. D. Görsmann wird zur Zeit gepackt und nach Köln transportiert.“ Das betraf offensichtlich alle Gegenstände, die er in einer kleinen Wohnung in Köln nötig hatte oder unterbringen konnte. Alles andere sollte verkauft werden. Dazu wurden zwei Versteigerungen angesetzt, die erste am 12. September 1941 beim Pfarrhaus, die zweite gegen Ende Oktober im Saal Herkenhoff. Mit den Versteigerungen beauftragte Elisabeth Recker den Hagener Auktionator Friedrich Schoppmeyer. „Die Versteigerung ist bekannt gemacht durch Anschlag in Hagen und Gellenbeck“, heißt es in dem Versteigerungs-Auftrag; das geschah damals vor allem durch das Anschlagen von Zetteln an die Bäume bei den Kirchen für die sonntäglichen Gottesdienstbesucher. Da praktisch jeder Erwachsene am Sonntag zum Gottesdienst kam, konnten so die Gemeindemitglieder über die bevorstehende Versteigerung informiert werden; infrage kommt hier Sonntag, der 7. September 1941.

Und viele Menschen kamen zur Versteigerung. Das Protokoll weist für die 88 verkauften Positionen insgesamt 52 Käufer namentlich auf. Da bei vielen Namen auch der Wohnort angegeben ist, wissen wir, dass alle sechs Hagener Gemeinden vertreten waren, mit einem klaren Schwerpunkt in der Gemeinde Gellenbeck. Je ein Käufer kam sogar aus Hasbergen und Georgsmarienhütte.

Von den 88 Positionen, die angeboten wurden, sind nur sechs ohne eine Benennung aufgeführt. Die übrigen 82 sind im Folgenden nach Gruppen geordnet. In Klammern ist jeweils der erzielte Kaufpreis in Mark bzw. die Preisspanne angegeben.


Wohnungseinrichtung

3 Tische                   (1,00-9,00)

5 Stühle                    (4,00-8,00)

2 Sessel                 (8,00-10,50)

2 Bettstellen                       (je 61,00)

1 Schreibpult                 (12,50)

3 Bilder                      (1,00-3,00)

1 Schirmständer             (7,00)

1 Lampe                         (1,00)

1 Uhr                             (6,00)

1 Radio                        (75,00)

Haushaltsgeräte

1 Brottrommel                    (1,60)

4 Fässer                  (1,00-12,50)

1 Eimer                              (1,50)

1 Wäschetopf                    (0,50)

1 Wäschemangel             (25,00)

Haustiere

1 Hahn                              (5,00)

1 Schafbock                      (25,00)

2 Schafe                   (40,00-49,00)

1 Ziege                               (57,00)

Gartengeräte

1 Bollerwagen                   (11,50)

1 Karren-Rad                      (4,20)

1 Kasten                            (1,80)

1 Stange                            (4,50)

1 Messer                            (1,20)

1 Sense                             (5,50)

1 Hacke                             (2,50)

1 Harke                              (2,00)

3 Schaufeln                  (1,50-2,00)

1 Forke                              (1,80)

Obst und Gemüse

3 Pos. Kartoffeln            (32,00-44,00)

7 Pos. Gemüse                  (0,20-6,50)

4 Pos. Runkelrüben         (0,50-10,00)

1 Pos. Wurzeln                        (17,00)

16 Pos. Äpfel                         (2,5-66)

4 Pos. Pflaumen                     (1,80-8)

Sonstiges

1 Pos. Dünger                       (10,00)

1 Fahrrad                              (40,00)


Zwar spricht das Protokoll davon, dass Mobiliar zur Versteigerung gekommen sei, aber zunächst überrascht doch der hohe Anteil von Gütern aus dem Bereich Garten/Landwirtschaft. Auch Pastor Görsmann betrieb intensiv Gartenbau und auch ein wenig landwirtschaftliche Tierhaltung für die Versorgung seines Haushaltes. Da die Auktion am 12. September stattfand, müssen wir davon ausgehen, dass die aufgeführten Baum- und Feldfrüchte noch nicht geerntet waren und baum- und flächenweise zum eigenen Ernten angeboten wurden. Sicher war das auch ein Grund für den frühen Zeitpunkt und den Ort der Auktion. Die zahlreichen Obstbäume, aber auch Schafe und Ziege weisen darauf hin, dass zum Pfarrhaus eine ausgewachsene Streuobstwiese gehörte. Diese befand sich auf der heutigen Grünfläche zwischen Pfarrhaus und Natruper Straße. Im Garten hinter dem Pfarrhaus wurde Gemüse angebaut. Die Frage ist, warum der Nachfolger, Pastor Heinrich Kirchner, Obst und Gemüse nicht übernommen hat. Vielleicht war er der Meinung, dass die Ernte im ganzen überstürzten Umzugsrummel nicht zu leisten war. Wir wissen aber, dass auch er – oder besser: seine Haushälterin Anna Brinkwerth – später auf den Flächen intensiv Obst- und Gartenbau betrieben hat.

Aber viele Fragen bleiben offen. Da ist z. B. die nach der Motivation der Käufer. Ziel einer Auktion ist es für den Verkäufer einen möglichst guten, für den Käufer aber einen möglichst günstigen Preis zu erzielen. Ob die Preise angemessen waren, ob mancher nach Schnäppchen suchte, wie bei solchen Auktionen üblich, oder ob die Sympathie mit dem gefangenen Pastor zu großzügigem Bieten veranlasste, lässt sich so ohne Weiteres heute nicht mehr feststellen. Weder kennen wir die Motivation der einzelnen Kunden, noch können wir über die erzielten Preise Schlüsse ziehen ohne damalige Preise im Allgemeinen und Auktionsergebnisse im Besonderen zu kennen. Insgesamt brachte die Versteigerung übrigens einen Erlös von 1187,20 Mark; diesen Betrag nahm Görsmanns Schwager Wilhelm Recker einen Tag später in Empfang.

 Interessant ist dennoch die im Vergleich zu heute unterschiedliche Wertschätzung der einzelnen Güter. So sind zum Beispiel die Tiere auffällig teuer im Vergleich zu den Möbelstücken. Fahrrad und Radio galten damals noch als Luxusgüter. Eine Einschätzung der Obst- und Gemüsepreise ist nicht möglich wegen der uns unbekannten Mengen. Immerhin ist jemand bereit 66 Mark für eine Position Äpfel auszugeben, wahrscheinlich für eine ganze Reihe von Bäumen. Handelte es sich um einen Osthändler? Auch der Wert des am 12. September angebotenen Mobiliars lässt sich nicht mehr feststellen, da zunächst nur überzählige Stücke ausgesondert wurden.

Denn es gab ja noch die zweite Auktion von Einrichtungsgegenständen. Davon liegt uns aber nur der Versteigerungsauftrag vom 23.10. 1941 vor. Ob diese Versteigerung von vornherein geplant war oder sich wegen der inzwischen erfolgten Überweisung Pfarrer Görsmanns ins KZ Dachau ergeben hat, muss offenbleiben. Diese Verkaufsaktion sollte im Saale Herkenhoff stattfinden und dürfte vor allem Gegenstände der Wohnungseinrichtung umfasst haben. Leider ist uns das Protokoll nicht erhalten geblieben.

Für Pastor Görsmann aber war das alles schließlich doch ohne Bedeutung. Am 15. September 1942 erlag er im Konzentrationslager Dachau den unmenschlichen Haftbedingungen.

Die Versteigerungsunterlagen werden nun im Pfarrarchiv Gellenbeck unter der Nr. C-002-01 aufbewahrt.

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