Bernhard Schopmeyer (1900 – 1945)

Johannes Brand

Im Juni 1975 beschloss der Rat unserer Gemeinde die Sandstraße von der Kreuzung mit der Straße zum Jägerberg bis zur Einmündung in die Natruper Straße umzubenennen in Schopmeyerstraße nach dem aus Hagen stammenden und nach Kriegsende ermordeten ehemaligen Arbeitersekretär der katholischen Arbeitervereine im Bistum Osnabrück, Bernhard Schopmeyer. Einmalig ist für Hagen, dass die offizielle Straßenbenennung am 23. Juni 1975, dem 30. Todestag Schopmeyers, in einer Feierstunde mit 300 Teilnehmern in dem an dieser Straße gelegenen Schulzentrum vorgenommen wurde. Das ist Grund genug, einmal den Spuren dieses Mannes nachzugehen.

Bernhard SchopmeyerBernhard Schopmeyer wurde am 2. September 1900 im sogenannten Herrenhaus der ehemaligen Beckeroder Eisenhütte geboren. Sein Vater Conrad Schopmeyer arbeitete als Kesselschmied in der damals noch bestehenden Beckeroder Kesselschmiede. Seine Mutter Bernhardine, geb. Schmitz war eine Tochter des Betriebsleiters der Schmiede. Die rasch wachsende Familie zog bald wegen der beengten Wohnverhältnisse um „in die Lieth“, an die heutige Liedstraße. Dort wuchs Bernhard Schopmeyer auf.

Nach dem Besuch der Volksschule erlernte er das Zimmererhandwerk, in dem er bis 1926 arbeitete. Daneben aber bildete der geistig hellwache junge Mann sich ständig weiter, um gerüstet zu sein für die Zeit der großen Umbrüche, die er in seiner Jugend erlebte: „Heute müssen die Arbeiter und unselbständigen Handwerker restlos außerhalb ihres schönen Dorfes ein Industriewerk besuchen, um ihren Lebensunterhalt zu haben. Daher ist Hagen ganz von dem Wohlergehen der umliegenden Industrie abhängig.“ So beschrieb er in einem Zeitungsartikel die Situation der Hagener 1934. Der Erste Weltkrieg endete für Deutschland mit der Novemberrevolution und dem Beginn der Weimarer Republik, eine Herausforderung für politisch wache Menschen, sich zu engagieren. Für Bernhard Schopmeyer wurde neben der Familie der 1910 gegründete katholische Arbeiterverein zur Keimzelle seines religiösen, sozialen und politischen Engagements. So finden wir im Statut des Vereins unter den Zielen u.a. „Wahrung und Förderung der Religiosität und Sittlichkeit“, „Belehrung der Mitglieder über ihr staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ und „Schutz und Förderung der wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter, besonders durch Erziehung zur praktischen Mitarbeit“. Bernhard Schopmeyer gehörte spätestens ab 1923 als Schriftführer zum Vorstand, als übrigens sein Vater 1. Vorsitzender war.

Dies und die vielfältigen Kontakte zum damaligen Arbeitersekretär im Bistum Osnabrück, Josef Hagemann, der offensichtlich seine besonderen Fähigkeiten richtig einzuschätzen wusste, führten dann wohl dazu, dass der erst 25 Jahre junge Bernhard Schopmeyer am 1. Januar 1926 zu dessen Nachfolger als Arbeitersekretär berufen wurde. Von dem gelernten Zimmermann wurden nun ganz andere Kompetenzen verlangt: Er hatte die Kontakte zwischen den einzelnen Arbeitervereinen zu halten, Vorträge zu politischen und sozialen Themen zu halten, Fortbildungsveranstaltungen zu organisieren und durchzuführen und vor allem auch im sogenannten Volksbüro ratsuchenden Menschen Auskünfte und Hilfen in sozialen Belangen zu geben. Daneben engagierte er sich in der Zentrumspartei, und es zeugt von seiner hohen politischen Kompetenz, dass der junge Neuosnabrücker bereits 1928 von seiner Partei als Kandidat für den Osnabrücker Magistrat aufgestellt und von der Bevölkerung auch gewählt wurde. Bald darauf war er auch Abgeordneter im Provinziallandtag in Hannover. Zu den beiden Haupttätigkeiten als Arbeitersekretär und Politiker gesellten sich bald weitere „Nebenposten“, wie z. B. als Beisitzer am Arbeitsgericht oder als Mitglied im Schlichtungsausschuss. 1932 war sogar beabsichtigt, ihn als Zentrumskandidaten für den Preußischen Landtag als Nachfolger wiederum Josef Hagemanns aufzustellen, wozu es wegen der Machtergreifung Hitlers nicht mehr kam.

Am 29. Juli 1927 heiratete Bernhard Schopmeyer die ebenfalls aus Hagen stammende Maria Bensmann. Um die rasch wachsende Familie – sechs Kinder gingen aus der Ehe hervor – zu ernähren, reichte das Gehalt des Arbeitersekretärs nicht aus. So war er darauf angewiesen, sich als Vertreter von Vertragsversicherungen der Arbeitervereine und durch Pressearbeit einen Nebenverdienst zu erwerben. So berichtete in einer Rubrik in einer Osnabrücker Tageszeitung über die Arbeit im Magistrat. Seinen Kindern war er ein liebevoller, aber auch konsequenter Vater. Und es ist typisch für den selbst so bildungsbeflissenen Menschen, dass ihm die Ausbildung seiner Kinder ganz besonders am Herzen lag.

Die Machtergreifung Hitlers bedeutete für ihn einen herben Einschnitt in sein Leben. Er verlor seine politischen Ämter, und das Volksbüro wurde aufgelöst. Über seine Arbeit als Arbeitersekretär schrieb rückblickend seine Frau im Jahre 1955: „In seinen Arbeiten wurde er durch das Verbot der Doppelmitgliedschaft Arbeitsfront und der katholischen Vereine sehr gehindert. Sein Büro wurde lange von zwei SA-Leuten besetzt.“ Seine Aufgaben verlagerten sich nunmehr immer stärker auf die Mitarbeit in der Männerseelsorge des Bistums Osnabrück, die im Jahre 1938 zur Ernennung zum Diözesansekretär für die Männerseelsorge führte. Hierzu gehörte auch die Katholische Aktion, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Laien für die weltanschaulichen Auseinandersetzungen heranzubilden. In Osnabrück wurde sie von Dr. Michael Keller, dem späteren Bischof von Münster, geleitet, der häufiger Gast in der Familie Schopmeyer war. Unter seiner Leitung verbreitete die Katholische Aktion z. B. auch die berühmten regimekritischen Predigten des Münsteraner Bischofs von Galen aus dem Jahre 1941. Zugleich betätigte sich Bernhard Schopmeyer illegal politisch im Untergrund. So berichtete Gerhard Wallenhorst, einer seiner Osnabrücker Freunde, über die Zusammenarbeit im Windthorst-Bund, der Jugendorganisation der Zentrumspartei, auch während der Zeit der NS-Herrschaft. Im Rückblick seiner Frau heißt es zur Untergrundtätigkeit: „Wenn mein Mann mir Schriftstücke aus der Widerstandsbewegung zum Lesen mitbrachte, dann musste ich immer hören, sei vorsichtig, ich stehe mit einem Bein im KZ. Manche Zusammenkünfte hinter verschlossenen Türen habe ich persönlich  miterlebt.“ Und einen Brief an seine Frau, wohl aus der Soldatenzeit, beendet er mit: „Nun muß ich schließen, vernichte den Brief, das ist notwendig, schreib bald wieder.“

Wenige Tage vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Das war insofern ungewöhnlich, als er mit 39 Jahren bereits relativ alt war. Vielleicht wollten ihn die Osnabrücker Nazis auf diesem Weg aus dem Verkehr ziehen. Er machte den Frankreichfeldzug mit, war dann in Polen eingesetzt und anschließend auch zeitweilig in Osnabrück stationiert. Hier wäre er beinahe nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 von der Gestapo verhaftet worden. Nur sein beharren auf der Zuständigkeit der Kriegsgerichtsbarkeit und die Meldung des Vorfalls an seinen vorgesetzten Offizier retteten ihn.

Bei Kriegsende befand er sich in Flensburg, wurde am 3. Mai 1945 entlassen und fuhr er dem Fahrrad nach Hause, wo er am 12. Mai eintraf. Sofort nahm er seine Tätigkeit in der Männerseelsorge wieder auf. Trotz des zunächst bestehenden Verbots politischer Betätigung durch die Besatzungsbehörde nahm er sofort die Gespräche mit seinen alten politischen Freunden auf, um die Zukunft zu planen. Konsequent vertrat er nun die Idee einer neuen überkonfessionellen Partei anstelle des alten katholischen Zentrums. So zählt ihn die Osnabrücker CDU zu ihren Gründungsvätern, auch wenn er die eigentliche Parteigründung im Herbst 1945 nicht mehr erlebte.

Die Umstände seines gewaltsamen Todes sind nie aufgeklärt worden. Noch am Abend vorher hatte er gegenüber seiner Frau davon gesprochen, dass ihn einige Männer verfolgen würden. Diese berichtete dann in ihren Erinnerungen: „Am folgenden Tag, dem 23. Juni 1945, wurde mein Mann mittags zwischen 13.00 und 14.00 Uhr im Bürgerpark auf dem Hauptweg aus dem Hinterhalt erschossen. Die Kugel drang in den Rücken und durchschlug Lunge und Herz. Außer seinem Leben wollte man nichts; denn es fehlte nichts an Wertsachen, wie Fahrrad, Geldbörse mit einer Gehaltsnachzahlung von zwei Monaten über 1000 Reichsmark, seine Armbanduhr, sein Ring und seine Aktentasche.“ Da es sich wohl nicht um einen Raubüberfall gehandelt hatte sondern um gezielten Mord, Bernhard Schopmeyer aber keine persönlichen Feinde hatte, suchte man das Motiv in der politischen Vergangenheit: „Man hat mir gleich gesagt, daß er zuviel gewusst, daß er deshalb verschwinden mußte, damit nicht noch gewisse Leute benachteiligt würden.“

Wenn wir heute fragen, was als Vermächtnis Bernhard Schopmeyers für unsere Zeit bleibt, dann soll hier ein Brief ziert werden, den er als Soldat an einen Freund geschrieben hat. Mitten im Siegestaumel, der weite Teile der deutschen Bevölkerung nach dem ersten Kriegsjahr erfasst hatte, schrieb er am 1. Dezember 1940 geradezu visionär gegen alles Großmachtdenken und allen Nationalismus:
„Die zur Gestaltung drängenden Kräfte sind von größerem Ausmaß als viele erträumt haben. Es geht in diesem Ringen um zwei große Dinge: Politisch um die Neugestaltung Europas (eine Art vereinigte Staaten von Europa oder wie man es nennen will), religiös geht es um die Wiedervereinigung im Glauben! Beides müssen wir bejahen und das Letztere ist unsere spezielle Aufgabe.“


Der Verfasser dankt für wertvolle Informationen besonders Frau Barbara Möller, einer Tochter Bernhard Schopmeyers.


Anmerkung:
Dieser Beitrag ist neben vielen anderen in unserem Buch „Hagener Geschichten“ enthalten.

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