Der Dorfbrunnen in Hagen a.T.W.

Rainer Rottmann

Wenn man über die Iburger Straße nach Hagen a.T.W. hineinfährt, so fällt der von großen Bäumen umstandene Dorfbrunnen ins Auge, in dessen Einfriedungsmauern eine ergiebige Quelle sprudelt. Quellen galten unseren Vorfahren, den heidnischen Sachsen, als heilig; klares Quellwasser war seit jeher ideale Voraussetzung für eine menschli¬che Ansiedlung. So verwundert es nicht, daß auch im Bereich der heutigen Dorfbrunnenquelle eine Siedlung entstand, die sich ursprünglich aus 4-5 Höfen zusammensetzte (Pfarrhof, Grotthus, Glashus, Gibbenhof und Püning).

Das Wasser der stark sprudelnden Quelle diente als Trinkwasser für Mensch und Vieh sowie als Waschwasser; zugleich war die Quelle ein "Notbrunnen" der bei Feuer und Brand als Löschteich fungierte, so z. B. 1892 beim letzten großen Brand von Hagen. Eine erste Erwähnung der Dorfbrunnenquelle liegt aus dem Jahre 1716 vor. Jürgen Linnemeyer klagte vor Gericht, "daß Glasmeyer ihm, wie er mit den Dörfer Schweinen an sein Haus vorbeygetrieben und die Schweine ... solito (= wie nach altem Gebrauch üblich) bey hitzigen Tagen durch die Dörfer Tränke gejagt, ihme mit einem grünen dicken Knüttel bund und blau abgeschlagen."

Linnemeyer war Schweinehirt und hütete die Schweine, die ansonsten frei im Dorfe umherliefen. Damit die Schweine von ihren jeweiligen Eigentü¬mern zu gegebener Zeit auseinandergehalten werden konnten, wurden die Schweine "mit dem Maleisen gebrannt."

Bis 1860 war die Dorfquelle ein unbefestigtes Wasserloch. Obwohl dieser Zustand aus Sicherheitsgründen unhaltbar geworden war, sah sich die Ge¬meinde nicht gedrängt, Abhilfe zu schaffen. Das Amt Iburg wandte sich daher mit einem Schreiben betreffend die "Einfriedung des Gemeinde¬brunnens im Dorfe" an den Samtvorsteher Kreimer in Hagen. In dem Schreiben heißt es:
"Im Dorfe Hagen, in der Nähe des Wohnhauses des Tierarztes Wolff befin¬det sich ein Wasch- und Nothbrunnen, welcher etwa 10 Fuß tief ist (= 3 Meter!). Wolff beschwert sich, daß der nicht eingefriedete Brunnen an der Landstraße lebensgefährlich sei und auch schon zwei Kinder hineinge¬stürzt seien. Die Gemeinde wird, da sie sich weigert, den Brunnen einzu¬frieden, behördlicherseits angewiesen, dies Werk zu verrichten, widrigen¬falls wird ein Strafgeld erhoben."

Angesichts der amtlichen Drohung sah sich die Gemeinde genötigt, die Quelle mit einer Mauer einzufassen. Das Wasser der Quelle lief jedoch weiter wie eh und je quer über die Straße und floß durch einen offenen Ka¬nal bis Minnerup und von dort in die "Pastoratswiese", wo er die Fischtei¬che des Pastors speiste. Erst 1898 wurde ein Entwässerungssystem im Dorf Hagen angelegt. Mit Bassins versehene Rohrleitungen von 30 bzw. 50 cm Durchmesser leiteten das Oberwasser, darunter auch das "Dorfwasser" der Dorfbrunnenquelle, in den Goldbach.


Als zu Beginn der 1950er Jahre die Dorfbrunnenquelle nicht mehr als Waschstelle benutzt wurde, kamen Überlegungen auf, die Quelle zu kanali¬sieren und die Wasserstelle zuzuschütten. Glücklicherweise setzten sich jedoch diejenigen durch, die die Quelle zu einem attraktiven Blickpunkt am Dorfeingang ausbauen wollten. Die Maurerarbeiten führte Franz Schönhoff aus, das verzierte Eisengeländer fertigte Willi Herkenhoff, das Christophorusbild schuf Albert Menkhaus.



1972 mauerte man schließlich an die Ostwand des Brunnens eine Rieselwand aus großen Kieselsteinen, über die das Quellwasser, mittels einer Pumpe hochgepumpt, hinabstürzt. So erinnert uns noch heute das rauschende Wasser an jene kristallklare Quelle, die einst für unsere Vorfahren wohl der wichtigste Grund war, sich gerade hier im Gebiet des heutigen Dorfkerns anzusiedeln und so den Grundstein für die Entstehung des Dorfes zu legen.

Anmerkungen:
Dieser Beitrag ist neben vielen anderen in unserem Buch „Hagener Geschichten“ enthalten. Der Dorfbrunnen wurde im Jahr 1999 grundlegend saniert und im lnnenbereich neu gestaltet.

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