Die Fischpredigt des heiligen Antonius

Heimat-Jahrbuch Osnabrücker Land 2018, S. 231-236

Die Fischpredigt des heiligen Antonius –

eine wiederentdeckte Aquarellskizze von Franz Hecker

Johannes Brand

Eine Sonderstellung im Werk von Franz Hecker nimmt das Altarbild in der Mariä-Himmelfahrts-Kirche in Hagener Ortsteil Gellenbeck ein. Es stellt dar, „wie St. Antonius die Notleidenden zu Jesus auf den Armen Mariens führt“.[1] Als Altarbild hat es die Funktion eines Andachtsbildes, das zur Meditation und zum Gebet Anlass geben soll. Ausführlich wurden seine Geschichte und Deutung bereits vor 20 Jahren im Heimat-Jahrbuch dargestellt.[2] Damals wurde auch erwähnt, dass anfangs als Bildthema die Fischpredigt des heiligen Antonius vorgesehen war und Franz Hecker dazu einen Entwurf gemacht hatte. Das verlautet aus dem Antrag von Pfarrer Tappehorn vom 30. Dezember 1914 zwecks Genehmigung eines Nebenaltar-Entwurfs des Architekten Albert Feldwisch-Drentrup und des Malers Franz Hecker. Überschrieben war dieses Schreiben mit: „Gehorsamstes Gesuch des Pfarrers Tappehorn, betrifft Nebenaltar zu Ehren des Hl. Antonius von Padua in der Kirche zu Gellenbeck“ mit dem Zusatz „Hat 1 Anlage“.[3]

Zwar sandte Generalvikar Harling diesen Entwurf mit seiner Ablehnung des Bildthemas wieder an den Hagener Pfarrer zurück, aber der Entwurf galt als verschollen, da er weder im Diözesanarchiv noch im Pfarrarchiv in Gellenbeck, wo die Bauunterlagen aufbewahrt werden, auffindbar war. Als der Verfasser im Jahre 2015 zum 100-jährigen Bestehen der Gellenbecker Kirche für einen Vortrag die Geschichte des Kirchbaus erneut recherchierte, suchte er auch im zwischenzeitlich neu geordneten Archiv der Kirchengemeinde St. Martinus in Hagen nach Quellen. Dabei stieß er auf ein kleines Konvolut von acht Zeichnungen des Architekten Albert Feldwisch-Drentrup zur Inneneinrichtung der neuen Kirche.[4] Und darunter befand sich auch der bisher vermisste Entwurf, über den im Folgenden berichtet werden soll.

Das Blatt (Format 427 mm x 595mm, also annähernd DIN A2) zeigt zunächst den Altarentwurf in einer typischen Dreitafelprojektion mit Vorderansicht, Seitenansicht von rechts und Draufsicht. Im bereits erwähnten Gesuch vom 30. Dezember 2014 schreibt Pfarrer Tappehorn dazu:

„Kirche zu Gellenbeck / Kreis Iburg / Seitenaltar (rechts)“ – Zeichnung des Architekten Albert Feldwisch-Drentrup vom September 1914 mit der Aquarellskizze von Franz Hecker. (Archiv der Kirchengemeinde St. Martinus Hagen a.T.W.).

 „Der Altar soll ein Antoniusaltar werden […] Der Altartisch soll aus Sandstein sein, der Stipes [Altarunterbau] und die Leuchterbank sollen mit weißem Marmor bekleidet werden; die Stufen und die Seitenwangen sollen aus Sandstein in leichtgelblichem Ton hergestellt werden. Der Rahmen für das Altarbild wird aus Eichenholz geschnitzt und dann polychromiert und vergoldet. Diese Arbeiten erbietet sich der Bildhauer Holtmann in Osnabrück für 2600 M zu übernehmen. Für Ausführung des 3 m hohen, 2 m breiten Ölgemäldes […] ist der Kunstmaler Franz Hecker gewonnen worden und wird sein Honorar ca. 2500 M betragen.“[5]

In diese Architektenzeichnung hinein hat nun Franz Hecker maßstabsgerecht im Format 98 mm x 152 mm seinen Entwurf gemalt, sodass der Generalvikar bei seiner Prüfung gleichzeitig Altar- und Bildentwurf bewerten konnte.

Die Legende von der Fischpredigt des heiligen Antonius

Die Erzählung wie Antonius von Padua den Fischen predigte wird in mehreren Varianten erzählt. Gemeinsam ist allen, dass Antonius sich in Auseinandersetzung mit Irrlehrern oder Ketzern befunden habe. Im historischen Zusammenhang können hier nur die Katharer gemeint sein, die in ihren Kreisen Köpfe hatten, die Antonius an geistiger Brillanz ebenbürtig waren. Die Geschichten erzählen dann, dass Antonius, frustriert von den vergeblichen Bekehrungsversuchen, sich ans Meer oder an einen Fluss begeben habe, die Fische herbeigerufen und ihnen eine Predigt über die Schöpfung und ihren Schöpfer gehalten habe. Die in Scharen herbeigekommenen Fische hätten ihre Köpfe aus dem Wasser gestreckt und aufmerksam zugehört. Während manche Erzählungen damit enden, erzählen andere noch, dass dem Prediger eine Volksschar zum Wasser gefolgt sei und angesichts dieses Wunders sich bekehrt habe.

Diese unterschiedlichen Varianten haben natürlich auch unterschiedliche Intentionen, denn in

„[…] der Form der Heiligenlegende zielt die Legende aber überhaupt nicht auf die für sie nur vordergründige historische Wahrheit […]. Es geht in ihr zentral um die Offenbarung des göttlichen Heilswirkens, das in der Person eines Heiligen zur Erscheinung kommt, zeichenhaft beglaubigt vor allem durch das Signum des Wunders.“[6]

So wird in den meisten Fischpredigt-Varianten auch von der durch das Wunder, also das „göttliche Heilswirken“ initiierten Bekehrung erzählt. Aber auch die Variante ohne Bekehrung hat ihre tief greifende Rezeptionsgeschichte. Beda Kleinschmidt erklärt diese Variante so, dass die Erzähler das Scheitern des Predigers Antonius „bei den Irrlehrern […] durch die köstliche Erzählung von der Fischpredigt abzuschwächen“[7] versuchten. Am bekanntesten ist die Gedichtfassung aus der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“, die auf den Wiener Bußprediger Abraham a Sancta Clara (1644-1709) zurückgeht.[8] Dieses Gedicht macht die Legende allerdings zur Parabel, in der die Fische für die Menschen stehen, die nicht bereit sind zu Umkehr und Buße.

Die Umsetzung der Geschichte in der Kunstgeschichte

Zahlreiche Künstler haben sich im Laufe der Jahrhunderte auch mit dieser Geschichte beschäftigt und sind dabei beiden Varianten gefolgt. Gerade aus neuerer Zeit sind in unserer Regionen zwei Darstellungen bemerkenswert, die die reine Fischpredigt nur mit dem Heiligen und den Fischen ins Bild setzen: Ruth Landmann gestaltete 1957/58 für den Giebel der Antoniusschule in Holzhausen-Ohrbeck eine keramische Figurengruppe und Werner Klenk schuf 2013 für den Antoniusplatz vor der Antoniuskirche in Papenburg eine bronzene Brunnenplastik. Trotz der künstlerischen Qualität kann sich in beiden Werken der eigentliche Sinn der Legende in dieser oder jener Variante dem Betrachter kaum erschließen. Sie thematisieren in der freundlich-liebevollen Zuwendung des Heiligen zu den Tieren eher Tierliebe und Naturschutz.

Ruth Landmann: Antonius predigt den Fischen; Wandgestaltung an der Antoniusschule in Georgsmarienhütte-Holzhausen, 1957/58. Foto: J. Brand.

Franz Heckers Aquarellskizze

Ganz anders in Franz Heckers Aquarellskizze von 1914, die den meisten Darstellungen in der Kunstgeschichte folgt und die un- oder irrgläubige Bevölkerung mit ins Bild bringt. Die Fische nehmen einen erstaunlich kleinen Raum in der linken unteren Ecke ein. Bildbeherrschend ist die aufrecht stehende Figur des Predigers im Franziskanerhabit, deutlich erhoben über die Schar der Menschen aus Rimini. Sie sind in der Skizze immerhin so deutlich angelegt, dass man erkennen kann, dass ihre Gesichter Erstaunen und ihre Körperhaltungen Demut ausdrücken sollen. Die durch das Wunder angeregte bevorstehende Umkehr der Menschen wird hier ganz deutlich. Verstärkend wirkt eine weiß gekleidete Klerikergestalt in Rückenansicht – möglicherweise ein Dominikaner –, der der Menschengruppe zugewandt mit ausladender Geste auf das Wunder hinweist.

Die Fischpredigt des heiligen Antonius. Aquarellskizze von Franz Hecker. Ausschnitt von Bild 1.

Fragen wir abschließend auch hier danach, was denn Stifter und Künstler mit diesem Altarbild ausdrücken, was sie den Menschen vor Ort mitteilen wollten. Seit 1909 war geplant, das Kirchspiel Hagen zu teilen und in der Hagener Niedermark eine zweite Kirchengemeinde zu gründen und in der Bauerschaft Gellenbeck eine neue Kirche zu bauen. Das rief erheblichen Widerstand in der Bevölkerung, besonders bei den Geschäftsleuten im Dorf hervor.[9] Die Federführung beim Kirchbauprojekt hatte der Hagener Pfarrer Antonius Tappehorn (seit 1900), der in diesen Konflikten zerrieben wurde und schließlich kurz vor Fertigstellung der Gellenbecker Kirche auf seine Pfarrstelle verzichtete und sich nach Beesten versetzen ließ. Nun könnte man vordergründig das Bild so lesen, als ob Pfarrer Antonius Tappehorn – ins Bild gesetzt durch seinen Namenspatron – sich resigniert von den halsstarrigen Hagenern abwendet und sich den gutwilligen „Fischen“ in einer anderen Kirchengemeinde zuwendet. Vielleicht aber wollte er die Menschen in Hagen durch das von ihm gestiftete Bild auffordern, sich hinter ihrem Seelsorger zu versammeln und gemeinsam Zukunft von Kirche zu gestalten.[10]

[1] BA OS, Gellenbeck C140, Schreiben von Pfarrer Tappehorn an das Bischöfliche Generalvikariat vom 11.07.1915.

[2] Brand, Johannes: Antonius Tappehorn und Antonius von Padua. Gedanken zu Franz Heckers Altarbild in der Kirche in Gellenbeck. In: Osnabrücker Land 1998 Heimat-Jahrbuch, Seiten 284-297.

[3] BA OS, Gellenbeck C140, Gesuch von Pfarrer Tappehorn an das Bischöfliche Generalvikariat vom 30.12.1914.

[4] Pfarrarchiv Hagen, C-010-02. Die Zeichnungen zeigen neben dem Antonius Nebenaltar Ansichten und Standort von Kanzel, Taufstein und Beichtstuhl. Ein weiteres sehr umfangreiches Konvolut zu Entwürfen des Architekten für die Inneneinrichtung der Kirche wurde im Dezember 2015 von Frau Emmy Feldwisch-Drentrup, einer Schwiegertochter von Albert Feldwisch-Drentrup dem Archiv der Kirchengemeinde in Gellenbeck übergeben.

[5] Nach einer Notiz des ersten Gellenbecker Pastors Gustav Görsmann erhielt Holtmann für den Altartisch dann 1400 Mark und für den Rahmen 1300 Mark, Hecker erhielt für das Bild 2500 Mark. (Pfarrarchiv Gellenbeck C-700-03-07).

[6] Wikipedia, Stichwort Legende (16.03.2017).

[7] Kleinschmidt, Beda: Antonius von Padua in Leben und Kunst, Kult und Volkstum. Düsseldorf 1931, S. 42.

[8] U. a. in: Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. Achim von Arnim und Clemens Brentano. München 1957, S. 237. Abgedruckt in: Brand 1998, S. 287 f.

[9] Zu den Auseinandersetzungen in Hagen ab1910 siehe: Katholische Kirchengemeinde Mariä Himmelfahrt Gellenbeck (Hrsg): 75 Jahre Kirchengemeinde Mariä-Himmelfahrt Gellenbeck 1915-1990, (Hagen 1990), S. 10 ff. und Rottmann, Rainer: Hagen am Teutoburger Wald – Ortschronik, Hagen a.T.W. 1997, S. 171 ff.

[10] Siehe auch die Deutung des verwirklichten Altarbildes durch Heinrich Riepe aus dem Jahr 1951in:

       Brand 1998, S. 295.

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