Erinnerungen an Bernhard Gewers - von Gerhard Lohmeier

Erinnerungen an Bernhard Gewers von Gerhard Lohmeier vorgesehen als Vortrag bei der Buchpräsentation Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Jahr, am 27. April, wäre Bernhard Gewers 93 Jahre alt geworden. Als einer, der lange Zeit mit Bernhard Gewers freundschaftlich verbunden war, empfinde ich eine große Freude und Dankbarkeit, dass ich heute aus Anlass der Buchvorstellung zum Leben und zum Werk von Bernhard Gewers sprechen darf. Bernhard Gewers hat sich als Bildhauer und Graphiker, als Architekt, als Gestalter und Ausstatter von Kirchenräumen, als Restaurator und auch als Lehrer an der Fachoberschule für Bau und Gestaltung weit über die Grenzen des Osnabrücker Landes hinaus große Verdienste erworben.

Vor allem hier in Hagen, wo er seit 1963 mit seiner Familie lebte, sind einige Zeugnisse seiner vielfältigen Schaffenskraft zu sehen. So hat er z. B. die beiden Altäre in der St.-Martinus-Kirche, den Ambo, den Tabernakel, den Taufstein und das Altarkreuz geschaffen. Große Werke von ihm sind der aus Marmor gestaltete St. Martin in einer Nische der ehemaligen Kirche in Hagen und die Kreuzesgruppe auf dem Waldfriedhof, dann die Erntedankfrau in Gellenbeck, und das Denkmal für den im KZ gestorbenen Pfarrer Görsmann an der Grundschule in Gellenbeck.
Bernhard Gewers war auch Mitglied im BBK in Osnabrück und hat in diesem Rahmen auch mehrmals an Ausstellungen in der Kunsthalle Dominikanerkirche teilgenommen. Ebenso sind auch einige Arbeiten von ihm im Diözesanmuseum in Osnabrück vorhanden.

Ich erinnere mich noch sehr gut an meine erste Begegnung mit Bernhard Gewers im Jahre 1983. Wir planten damals unsere zweite Krippenausstellung in der Dominikanerkirche in Osnabrück und wir hatten vor, auch Bernhard Gewers zu fragen, ob er uns nicht auch eine Weihnachtskrippe für unsere Ausstellung zur Verfügung stellen könnte. Als Treffpunkt hatten wir das Gebäude an der Berufsschule in Osnabrück vereinbart, wo er damals an der Fachoberschule für Bau und Gestaltung unterrichtete. Das Treffen verlief aber ganz anders, als ich es erwartet hatte, denn nach der kurzen gegenseitigen Vorstellung und der Beschreibung unseres Vorhabens holte er erst einmal weit aus und erzählte von den Krippen in Coesfeld, von alten Krippenfiguren, die sich in seinem Besitz befinden und von seinen Ideen, wie man die Darstellung der Geburt Jesu zeitgemäß gestalten sollte. Mehr als eine halbe Stunde dauerte so unser erstes Gespräch im Eingang zur Tiefgarage, ohne dass wir zu einem Ergebnis gekommen wären. Dann erfolgte seine Einladung, ihn doch in nächster Zeit einmal in seinem Haus in Hagen zu besuchen, und dann wollten wir weiter über unser Anliegen sprechen. Und so fuhr ich dann einige Tage später nach Hagen, wo er mich in seinem Wohnhaus begrüßte und mich auch seiner Frau vorstellte. Noch wusste ich nicht, welch interessanten Lebensweg Bernhard Gewers bis dahin hinter sich hatte, denn ich dachte zu diesem Zeitpunkt, er sei als Bildhauer in den Schuldienst gewechselt, um den Schülern und Schülerinnen an der Fachoberschule Gestaltung Kunstunterricht zu erteilen. Als wir dann beim Kaffee saßen, begann er, etwas über sein Leben zu erzählen. Er habe, so sagte er, ganz bewusst sehr viel Zeit in seine Ausbildung gesteckt, nahezu 13 Jahre, von 1947 bis 1959, habe es gedauert, bis er das, was er sich vorgestellt hatte, erreicht hatte. Sein praktisches und theoretisches Rüstzeug erwarb er sich zunächst durch eine Lehre als Stein- und Holzbildhauer in Münster und einem anschließenden Studium an der Werkkunstschule in Münster. Von 1950 bis 1953 studierte er dann an der Akademie der Künste in Stuttgart und begann nahezu zeitgleich mit dem Studium der Architektur in Darmstadt, das er 1959 abschloss. Während des Studiums, 1956, legte er die Meisterprüfung als Steinmetz- und Holzbildhauer ab. Das Architekturstudium, so sagte er, war neben seiner bildhauerischen Ausbildung sehr wichtig für seine Entwicklung, denn es vermittelte ihm die Fähigkeit, Räume in Kirchen und im öffentlichen Raum intensiv zu erfassen und besser zu verstehen. Seine Idee war dabei, seine Kunstwerke so zu gestalten, dass sie mit den Räumen verschmelzen. Ein hoher Anspruch, den er zeit seines Lebens auch verfolgte. Ein Kunstwerk ohne den dazugehörigen Raum ist nur ein halbes Kunstwerk, so seine abschließende Meinung. Als er 1959 das Architekturstudiums abgeschlossen hatte, war er überzeugt, dass er nicht als Architekt, sondern, auf der Basis seiner Bildhauer- und Steinmetzausbildung als freischaffender Künstler tätig sein wollte. 1960 heiratete er Ilse Strauß, ebenfalls eine Bildhauerin, die ihn immer unterstützte und sich auch selbstlos die für Ihre Kinder einsetzte. Der Beruf als Künstler sei am Anfang nicht einfach gewesen, das Warten auf einen neuen Auftrag habe er oft als sehr schmerzlich empfunden, aber er wusste, irgendwann würde es schon besser werden. Aber er nutzte die Zeit zum Experimentieren, suchte nach neuen Gestaltungsformen und nach neuen technischen Lösungen. Vielleicht habe ich es überhört oder vergessen, deshalb weiß ich nicht mehr, warum er 1963 gerade Hagen als seinen Wohnort ausgewählt hat, aber hier baute er sein Haus und bezog am Borgberg ein eigenes Atelier, das von da an sein künstlerischer Lebensmittelpunkt sein sollte. Über Weihnachtskrippen haben wir auch an diesem Tag kaum gesprochen, vielmehr kam er noch auf die Grundstrukturen seines künstlerischen Schaffens zu sprechen, die er auf ganz unterschiedliche Einflüsse und Erfahrungen zurückführte.

Da war zum einen die Erkenntnis über den Formenreichtum der Natur. Die Vielfalt der Materialien, der Formen und die Feingliedrigkeit, die er in der Natur fand, begeisterten ihn und inspirierten ihn immer wieder aufs Neue. „In der Natur findet man die perfekte Form“, sagte er und bezog sich dabei auf seine Arbeit als Steinmetz und als Bildhauer, wo er, auch bei den schwierigsten Arbeiten, den im Material vorhandenen Strukturen der Natur folgte. Das andere war sein abgeschlossenes Architekturstudium, das ihm ein neues Sehen der Räume, ein besonderes Verhältnis zur Welt und zum Universum eröffnete.

Und er erzählte auch, dass er sein künstlerisches Schaffen auch an seiner religiösen Grundhaltung orientiert. Er kommt aus einer katholischen Familie aus dem Münsterland und blieb diesem Glauben auch zeit seines Lebens verbunden.

Sein Glaube habe ihm auch bei der Gestaltung von Chor- und Kirchenräumen geholfen, die er in vielen Kirchen in Norddeutschland, im Osnabrücker Land und im Ruhrgebiet gestaltet hat. Seine Altäre, Leuchter, Lesepulte und Heiligenfiguren, die er aus Sandstein, Marmor, Bronze oder Aluminium geschaffen hat, spiegeln auch heute noch die Arbeit eines Bildhauers wider, der seinen Glauben gelebt und in seinen Werken sichtbar gemacht hat.

Seine Arbeiten sollten, so sagte immer wieder, nicht isoliert, sondern zusammen mit dem Raum auf den Betrachter einwirken. Es war ihm zudem ein Anliegen, dass seine Werke nicht beliebig interpretiert, sondern sich über die Begegnung im Raum seiner Intention annähern sollten.

Es dauerte dann doch noch einige Treffen mehr, bis wir schließlich auf die Krippendarstellungen zu sprechen kamen. Bei einem dieser Treffen holte er ein Bronzerelief, das er gerade von der Gießerei geholt hatte, aus einem Zimmer. Er hatte es noch auf ein altes Eichenbrett montiert und gab es uns dann für die Ausstellung. Dargestellt war die Geburt Jesu in einer modernen, aber sehr überzeugenden Form. „Es müssen nicht immer plastische Figuren sein“, sagte er und man könne auch mal andere als die überlieferten Motive und Gestaltungselemente verwenden, ohne dabei den Inhalt der Weihnachtsbotschaft zu verändern. Dabei verwies er auf die übereinanderliegenden Ochs und Esel, auf Josef, der seinen Oberkörper auf den Hals des Ochsen legt und auf den Stern, den er nicht als traditionellen Stern, sondern aus sich überkreuzenden Strahlen gestaltet hatte.

Diese überkreuzenden Strahlen finden sich in vielen seiner Werke, vor allem auch in seinen, wie er sie nennt, „kosmischen Kompositionen“. Die sich kreuzenden Strahlen finden wir aber auch auf der Tabernakeltür in der neuen St. Martinskirche in Hagen, die er als „Kraftstrahlen zwischen Himmel und Erde bezeichnete“ und die er auch so auf seinem Krippenrelief verstanden wissen wollte.

Es sei ihm, so sagte er, sowohl bei Arbeiten in der Kirche als auch bei der Gestaltung seiner Krippendarstellungen ein Anliegen, „heilige Orte, oder Bilder oder Figuren, die Szenen aus der Heilsgeschichte darstellen, mit der gebotenen Würde zu gestalten und dazu dienen eben auch die Kraftstrahlen.“ Die gekreuzten Strahlen, die Bernhard Gewers als „Mittler zwischen dem Göttlichen und dem Irdischen“ verstand, gestaltete er später auch noch an zwei weiteren Reliefdarstellungen mit weihnachtlichen Motiven, die sich heute ebenfalls im Besitz des Vereins der Krippenfreunde befinden.

Bernhard Gewers gestaltete seine Kunstwerke nicht nur aus Holz, Sandstein, Bronze oder Aluminium, er verwendete in späterer Zeit auch Beton. Beton war zwar nicht sein bevorzugtes Material, weil man damit nicht die Feinheiten und Details, wie er sie sich vorstellte, erreichen konnte. Das habe ihn immer sehr beschäftigt, aber die „Auftraggeber hätten ihn aus Kostengründen gebeten, dieses Material zu verwenden.“ Zu nennen sind dabei die beiden riesigen Stelen im Warendorfer Gymnasium, das Ehrenmal in Bad Bentheim oder die Betonplastik auf dem Schulhof in Recklinghausen. Aber er sagte auch sehr eindringlich, „ich bin kein Betonkünstler, bei diesen Arbeiten spielten andere, monetäre Gesichtspunkte eine Rolle, die es zu berücksichtigen galt.“ Gerne erinnerte er sich auch an seine wohl größte Arbeit in seiner Heimatstadt Vreden. Der Steinblock, den er zu bearbeiten hatte, war so groß, dass er die Arbeiten für das Ehrenmal, das daraus werden sollte, im Steinbruch ausgeführt hat. Als große Freude fand er den Auftrag, das 15 Meter lange und fast drei Meter hohe Eisengitter für den Eingang des Osnabrücker Zoos zu gestalten. Hier griff er auf seine Liebe zur Natur zurück und gestaltete den gesamten Eingang mit Blattmotiven, jedes anders, aber in der Fülle als Einheit. Dass Bernhard Gewers sich überwiegend auf kirchliche Kunst spezialisiert hatte, sah man sehr schnell beim Besuch in seinem Haus in Natrup Hagen. Bilder, Zeichnungen und Kupferstiche und viele Engel in allen Größen und aus verschiedenen Zeitepochen waren dort zu sehen und zur Weihnachtszeit wurden auch die großen Krippenfiguren aufgestellt, die sich heute bei seinem Sohn in Berlin befinden. An diesen Figuren hatten er und seine Frau besonders viel Freude. Die Jahre vergingen und wir trafen uns immer wieder in Hagen oder auch bei uns in Osnabrück und auch unsere freundschaftlichen Beziehungen vertieften sich immer mehr. Nachdem er sich mit seinen Arbeiten schon an mehreren Ausstellungen beteiligt hatte, unter anderem auch in der Dominikanerkirche in Osnabrück, widmete ihm die Gemeinde Hagen im Jahre 1992 eine erste größere Ausstellung in der ehemaligen St.-Martinus-Kirche. Diese Ausstellung, die damals eine sehr gute Resonanz in der Öffentlichkeit hatte, gab einen exemplarischen Überblick über das Werk Bernhard Gewers‘ und zeigte Grafiken, Reliefs und plastische Darstellungen. Als wir dann wieder einmal eine Ausstellung planten, gab uns Bernhard Gewers acht alte, aus dem frühen 19. Jahrhundert stammende Krippenfiguren. So alte Figuren hatten wir im hiesigen Raum noch nicht gesehen und waren sehr froh und glücklich, sie in der Krippenausstellung zeigen zu können. Und dann geschah etwas Unerwartetes: Als ich ihm die Figuren zurückbringen wollte, sagte er nur ganz kurz: „Die Figuren gehören jetzt dem Krippenverein, das hätte er mit seiner Frau besprochen und das sei gut so.“ Wir waren sprachlos, denn solch interessante Figuren gibt es nur noch ganz selten zu sehen und vor allen nicht in unserer Gegend.

Und noch etwas sagte er in diesem Zusammenhang: Er sei der Gemeinde Hagen und der Kirchengemeinde St. Martinus sehr dankbar, dass er hier, nachdem er sich in Natrup Hagen niedergelassen hätte, für die Gemeinde und für die Kirche mehrere Kunstwerke gestalten konnte, als es manchmal längere Zeit dauerte, bis er wieder einen Auftrag von außerhalb erhielt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht einfach, das Schaffen von Bernhard Gewers stilistisch einzuordnen. Seine Ausbildung zum Bildhauer und Steinmetz orientierte sich weitgehend an der Kunst der 50er und 60er Jahre, sein Architekturstudium eröffnete ihm neue Sichtweisen, die in seinen eher abstrakten und linearen Arbeiten zu sehen sind und sich dann später wieder zu gegenständlichen Darstellungen wandelten. „Ich suche immer Neues und möchte neue Formen und Motive schaffen“, sagte er mir und meinte damit, dass er als Künstler kein Endziel hat, sondern ein Suchender bleibt. Damit lässt sich auch erklären, dass sich seine Arbeiten bis zu seinem Tode im Jahre 2012 nicht als kontinuierliche Entwicklung, sondern als punktuelle Gegenwartskunst darstellen.

Ich selbst verdanke Bernhard Gewers vor allem als Mensch sehr viel, denn unsere Gespräche reichten weit über die Kunst hinaus und vieles, was wir besprochen haben, hat auch mein Verhältnis zur Natur und zum Kosmos beeinflusst. Dafür bin ich ihm auch heute noch sehr dankbar.

Zum Schluss möchte ich ein paar Sätze aus dem Katalogbeitrag von Johannes Brand zitieren. Dort heißt es: „Das künstlerische Lebenswerk von Bernhard Gewers ist von einer so großen Fülle, Vielseitigkeit und „Vielschichtigkeit“, wie er es nennt, dass es hier nicht darstellbar ist. Der Bildteil dieses Buches möge deshalb den Leser und Betrachter herausfordern, auch die originale Begegnung zu suchen. Viele der Werke sind auch heute noch im Raum zwischen der niederländischen Grenze und Berlin im Originalzustand erhalten und laden dazu ein, Räume – drinnen und draußen – zu erleben, wie der Künstler sie gedacht und gestaltet hat.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld.

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