Kirchenbau im Erstel Weltkrieg

Heimat-Jahrbuch Osnabrücker Land 2016, S. 242-246:

Kirchenbau im Ersten Weltkrieg –

100 Jahre Kirche Mariä Himmelfahrt in Gellenbeck

Johannes Brand

Gründung der Kirchengemeinde Gellenbeck[1]

Nachdem der Bischof von Osnabrück im Jahre 1909 entschieden hatte, die Pfarrgemeinde Hagen zu teilen und in der Hagener Niedermark eine eigene Kirchengemeinde zu gründen, ging man dort zügig an die Planung. Eine Kirchbaukommission, quasi ein provisorischer Kirchenvorstand, wurde gewählt, Geld gesammelt, Hand- und Spanndienste eingeworben und der bekannte Osnabrücker Kirchenarchitekt Albert Feldwisch-Drentrup mit Planungen beauftragt. Zum 1. November 1912 wurde dann offiziell vom Bischof die neue Kirchengemeinde gegründet, im Januar 1913 der Kirchenvorstand gewählt und im Juni mit dem Kirchbau begonnen. Der Bau zog sich über mehr als zwei Jahre hin und geriet damit in die Anfangsphase des Ersten Weltkriegs, der dann auf vielfältige Weise auf die Fertigstellung einwirkte.

Arbeitskräftemangel und Kostensteigerungen

Immer wieder wird in den Quellen zur Baugeschichte darauf verwiesen, dass durch den Krieg ein großer Mangel an Arbeitskräften eingetreten sei und die Fertigstellung der Kirche verzögert habe. So berichtet die Chronik der Gemeinde, dass schließlich alle Maurer bis auf einen zu den Soldaten eingezogen worden seien. Viele Mitglieder der neuen Kirchengemeinde hatten zusätzlich zu ihrer Geldspende oder an deren Stelle sich zu Materiallieferung (Bruchstein, Holz) oder aber Hand- und Spanndiensten verpflichtet. Gerade Letztere fielen dann aus, als die Männer zum Kriegsdienst eingezogen waren. Der Rendant der Kirchengemeinde, Wilhelm Wolf, begründete 1915 die Aufnahme eines höheren Kredites dann so: „Zudem sind wegen der gegenwärtigen Kriegszeit viele Hand- und Spanndienste in Fortfall gekommen, dagegen manche Baumaterialien sehr erhöht worden, wodurch eine Mehrausgabe von mindestens 80.000 M entstanden ist.“[2]

Der Kirchturm[3]

In den Plänen des Architekten war durchaus ein hoher Kirchturm, anfangs in der Südwestecke, im endgültigen Plan dann in der Südostecke über der Sakristei, vorgesehen. Die Planungen rund um den Kirchturm zeugen aber von einer gewissen

Naivität der vor Ort Verantwortlichen. Um Kosten zu sparen, beschloss bereits die Kirchenbaukommission im März 1911, den Turm nur bis zur Gesimshöhe des

Skizze des Architekten Albert Feldwisch-Drentrup vom September 1913 mit dem zu der Zeit geplanten Kirchturm.(Pfarrarchiv Gellenbeck)

Ansicht der Kirche von Nordosten mit dem verdeckten Turmstumpf im Jahre 1916 (Pfarrarchiv Gellenbeck).

Hauptschiffes auszubauen und den Endausbau einer späteren Zeit zu überlassen. Dennoch bemängelte die staatliche Behörde die viel zu niedrig angesetzten Kosten.    1914 merkte man dann, dass man in einem solchen Turmstumpf keine Glocken unterbringen könne – man ging noch von einem Geläut aus drei Glocken aus. Im Dezember des Jahres wurde beschlossen, den Turm zunächst fünf Meter höher zu bauen und die Mehrkosten hinzunehmen.

Ein halbes Jahr später – inzwischen war der Erste Weltkrieg ausgebrochen, aber man rechnete wohl noch mit dessen schnellem und siegreichem Ende – war man dann doch mit der provisorischen Lösung unzufrieden. Auf Drängen von Gemeindemitgliedern beriet der Kirchenvorstand am 13. Mai 1915 diesbezüglich noch einmal, forderte eine neue Zeichnung und einen neuen Kostenvoranschlag an und bereits drei Tage später heißt es im Protokoll einer weiteren Sitzung lakonisch: „Es wird beschlossen, den Turm auszubauen.“ Über die Mehrkosten sagt das Protokoll nichts. Nun aber forderte der durch den Krieg bedingte Arbeitskräftemangel doch seinen Tribut, sodass es dann doch in der Sorge um die Fertigstellung der Kirche bei dem nur um fünf Metern erhöhten Turmstumpf blieb. Die Schulchronik Sudenfeld vermerkt allerdings in ihrem Bericht über die Kirchweihe einen anderen, den ursprünglichen Grund: „Der Turm blieb wegen Geldmangels leider unvollendet. Sein Ausbau ist einer späteren Zeit vorbehalten.“[4]  Der Turmstumpf wurde mit einem flachen Pyramidendach abgeschlossen, das gerade die Höhe des Firstes der Kirche erreicht. Und so präsentiert sich der Bau bis heute.

Die Glockenweihe

Der Kirchenvorstand hatte den Turm fünf Meter höher als geplant bauen lassen, um ein volles Geläute unterbringen zu können, und verhandelte im Frühjahr 1915 über die Lieferung eines Geläutes mit der Firma Otto in Hemelingen bei Bremen. Damals waren 3 Glocken vorgesehen mit den Tönen d, e und g.

„Wegen der gegenwärtigen schweren Kriegszeiten und auch wegen mangels an Geldmitteln konnte von den vorgesehenen drei Glocken vorerst nur die kleinste Glocke beschafft werden, wie aus denselben Gründen auch der Turm nur bis Gesimshöhe der Kirche ausgebaut werden konnte.“[5]

Zeitbedingt aktuell ist die Inschrift gewesen, die sich an die Kirchenpatronin wandte: „Sancta Maria, regina pacis, ora pro nobis! + Bella pelle, para pacem! 1915. + Zu deutsch: Heilige Maria, Königin des Friedens, bitte für uns! + Verbanne die Kriege, erflehe den Frieden! 1915 +“[6]

Die Glockenweihe fand bereits am 3. Juli 1915 statt. Auch diese Feier war noch von der Kriegsbegeisterung der Anfangsphase des Krieges bestimmt. Laut einem Zeitungsbericht in der Osnabrücker Volkszeitung sagte Pfarrer Tappehorn in seiner Predigt:

„Wir hoffen auf weitere herrliche Siege, und diese Glocke soll sie der Gemeinde verkünden. Wir erhoffen einen baldigen günstigen und dauernden Frieden, den aber unser Kaiser den besiegten Feinden diktieren soll, und diese Glocke wird solchen Frieden der Gemeinde laut und freudig anzeigen.“[7]

Und das erste Siegesgeläute gab es auch sogleich nach der Aufhängung und Inbetriebnahme der Glocke:

„Am 25. u. 26. August wurde der Glockenstuhl aufgestellt und durch Herrn Glockengießer Otto aus Hemelingen die Glocke aufgehängt. Durch das erste ‚Angelus=Läuten‘ am Donnerstag, den 26. August mittags 12 Uhr wurde die Glocke dem kirchlichen Gebrauch übergeben. Ein einstündiges ‚Siegesläuten‘ ließ sie am selbigen Abend erschallen über die Erstürmung und Besetzung der russischen Festung Brest-Litowsk.“[8]

Da nur eine Glocke beschafft wurde, entging die Kirche damit dem Ablieferungszwang für Kirchenglocken im Jahre 1917, als aufgrund des allgemeinen Mangels an Rohstoffen, vor allem von Metall, die Kirchen einen Teil Ihrer Glocken für die Produktion von Waffen abliefern mussten.

Glockenweihe am 3. Juli 1915: Unter den drei Fenstern der Sakristei steht Pfarrer Tappehorn mit segnend erhobener Hand der vor ihm hängenden Glocke zugewandt. Neben ihm steht mit dem Rücken zur Kirche Wilhelm Wolf, der Dirigent des vor ihm stehenden Männergesangvereins Cäcilia Gellenbeck (siehe Ausschnittvergrößerung).Pfarrarchiv Gellenbeck

.Abgabe von Orgelpfeifen

Dieses Foto von 1965 zeigt noch die kleine Orgel, die 1915 gebraucht erworben wurde. Pfarrarchiv Gellenbeck.

Aus denselben Gründen, die zur Beschaffung nur einer Glocke führten, kam der Kauf einer neuen Orgel nicht infrage. So kaufte die Gemeinde eine gebrauchte Orgel für nur 1.200 Mark. Diese entging aber nicht der Metallbeschlagnahme im Jahre 1917.

„Dagegen [im Vergleich zur Glocke] mußten die Orgelprospektpfeifen im Juni bei der Drahtseilfabrik Vornbäumer in Iburg abgeliefert werden, nachdem dieselben durch die Firma Orgelbauer Haupt Osnabr. abmontiert wurden. Eine Reklamation nebst Gutachten des Domorganisten Bäumer, Osnabr. und schriftl. Fürsprache des Bischfl. Generalvikariats war ergebnislos. Die Prospektpfeifen hatten ein Gewicht von 59 ½ kg. Der Preis soll 5 M pr. kg betragen.“[9]

Gustav Görsmann, der seit der Kirchweihe im Dezember 1915 Pastor der Kirchengemeinde war, kommentierte das in seinem „Neujahrsgruß an unsere lieben Soldaten“ von Ende 1917 so:

 „Der Ton der Orgel hat zwar gelitten, aber unser Herr Hauptlehrer [Wilhelm Wolf] weiß sie trotzdem zu meistern, so daß sie für den Gottesdienst vollauf genügt. Auch der Blitzableiter ist für Heereszwecke uns enteignet … worden. So hat auch die Kirche ihre Kriegsopfer gebracht.“[10]

Die Kirchweihe

Im Vertrag mit dem Kunsttischler Thiesing in Osnabrück über die Herstellung des großen Hochaltares wurde vereinbart, dass der Altar zum 15. August 1915 geliefert sein sollte. Da dieses Datum das Fest Mariä Himmelfahrt, dem Patronatsfest der Kirche, ist, dürfen wir annehmen, dass an diesem Tag die Kirchweihe vorgesehen war. Wie wir gesehen haben, verzögerten Arbeitskräfte- und Materialmangel das Fertigstellungsdatum. Schließlich wurde dann die Kirche am Montag, dem 13. Dezember 1915, einem kalten Tag mit Schneegestöber, durch Bischof Wilhelm Berning aus Osnabrück eingeweiht.

Uns soll im Zusammenhang mit der Kirchweihe ein kleines Detail interessieren, das die Gellenbecker Schulchronik erzählt: „Der Kirchplatz war in den Tagen vorher planiert und schön geschmückt […] nach einem Entwurf des Mühlenbesitzers Höpke. Ausgeführt wurden die gärtnerischen Arbeiten von Höpkes gefangenem Russen Urban.“[11] Aus dieser Bemerkung klingt eine Anerkennung der Arbeit des russischen Kriegsgefangenen, dessen Name sogar dem Schulleiter bekannt ist und von ihm überliefert wird. Hier geht es nicht um einen Einzelfall. Der Einsatz von russischen Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg war durchaus von Wertschätzung geprägt, wie eine Bemerkung in der Mentruper Schulchronik bestätigt: „Zur Hilfeleistung bei den landwirtschaftlichen Arbeiten waren der Gemeinde Hagen 22 gefangene Russen überwiesen, man war mit ihnen durchaus zufrieden.“[12] Wie weit sind solche Sätze doch entfernt von dem menschenverachtenden und mörderischen Umgang mit russischen Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg!

Die Ausstattung der Kirche

Die Kirche konnte also im Dezember 1915 in Gebrauch genommen werden, wenn auch wegen Arkeitskräfte- und Materialmangels mit Verzögerung und unvollständig. An so manchem, was man damals für eine Kirche für unumgänglich oder wünschenswert hielt, fehlte es in der Kirche noch. Der Hochaltar, von dem Pastor Görsmann 1917 sagte, dass er „halb fertig“ sei und „wegen Mangel an Arbeitskräften nicht fertig gestellt werden“ konnte, wurde erst 1923 geliefert.[13] Die Nebenaltäre wurden 1920 geweiht. Die Ausmalung erfolgte dann 1922, die farbigen Bildfenster wurden nach dem Krieg bis in die 1930er Jahre in Auftrag gegeben und angefertigt. Aber selbst ein damals so selbstverständlicher Gegenstand wie eine Kommunionbank konnte erst 1916 bei dem Osnabrücker Bildhauer Lukas Memken in Auftrag gegeben werden. In seinem Antrag auf Genehmigung des Entwurfs an das Generalvikariat erwähnte Pastor Görsmann den Preis von 1450 Mark und fügte hinzu: „Sie hat ihren Donator [= Spender].“[14] In den Kriegsjahren 1917 und 1918 gelang es Pastor Görsmann aber auch noch Spender für eine Krippe, eine Marien-, eine Herz-Jesu- und eine Josefsstatue zu finden. Die drei Statuen wurden beim Osnabrücker Bildhauer Jakob Holtmann in Auftrag gegeben. Trotz aller kriegsbedingten Mangelsituation war die Bereitschaft der Menschen, für ihre neue Kirche zu spenden, ungebrochen.

 

[1] Hier folgt nur ein kursorischer Überblick. Umfangreich dargestellt wurde die Geschichte der Gründung der Kirchengemeinde und des Kirchbaus in: Kath. Kirchengemeinde Mariä-Himmelfahrt Gellenbeck (Hrsg.): 75 Jahre Kirchengemeinde Mariä-Himmelfahrt Gellenbeck. Hagen a. T. W. 1990.

[2] BAOS, Gellenbeck C-140, Schreiben Wilhelm Wolfs an das Generalvikariat in Osnabrück vom 10.09.1915.

[3] Zum Turmbau siehe Pfarrarchiv Gellenbeck C-050-02-02 Protokollbuch.

[4] Archiv der Grundschule Gellenbeck, Schulchronik der Schule zu Sudenfeld (Band 1), S. 63.

[5] Pfarrarchiv Gellenbeck, C-700-01-01, Sonderdruck eines Artikels der Osnabrücker Volkszeitung, Datum 3. Juli 1915.

[6] Wie Anm. 5.

[7] Wie Anm. 5.

[8] Archiv der Grundschule Gellenbeck, Chronik der katholischen Volksschule in Hagen–Niedermark (Band 1), S. 165 f.

[9] Wie Anm. 8, S. 175.

[10] Pfarrarchiv Gellenbeck, C-111-01-02-02-02, „Neujahrsgruß an unsere lieben Soldaten“,

[11] Wie Anm. 8, S. 168.

[12] Archiv der Grundschule St. Martin Hagen a. T. W., Chronik der katholischen Volksschule zu Mentrup, (unpaginiert) Schuljahr 1915-1916.

[13] Wie Anm. 7. Die tatsächliche, viel kompliziertere Geschichte des Hochaltars ist – soweit überhaupt bekannt – dargestellt in:  Brand,  Johannes (Text) und Tecklenburg , Helmut (Fotos): Der Hochaltar der Kirche in Gellenbeck. Hrsg. Kath. Kirchengemeinde Gellenbeck, Hagen a. T. W., o. J.

[14] Wie Anm. 2, Schreiben Pastor Görsmanns an das Generalvikariat vom 27. 7. 1916.

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