Konrad Hinze (1901 – 1980)

Johannes Brand


Konrad HinzeKonrad Hinze wurde am 30 Juni 1901 in Flämischdorf bei Neumarkt in Schlesien geboren. Nach dem Besuch von Volksschule und Mittelschule erhielt er seine Ausbildung zum Lehrer an der Präparandenanstalt in Striegen und dem Lehrerseminar in Schweidnitz.

Nach seiner ersten Lehrerprüfung 1921 teilte er das Schicksal vieler damaliger Junglehrer, die keine Anstellung fanden, von der sie leben konnten, und sich in berufsfremden Tätigkeiten ihren Lebensunterhalt verdienen mussten. So war Konrad Hinze als Kassengehilfe bei der Forstkasse und als Reporter einer Zeitung in Neumarkt beschäftigt. Auch seine ersten Stellen im Schuldienst ab 1926 waren nur Vertretungsbeauftragungen. 1929 heiratete er Johanna Schlossweck; aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor. Erst 1930 bekam er eine feste Anstellung, zunächst an einer einklassigen Volksschule, später dann an verschiedenen vollausgebauten achtklassigen Volksschulen. Daneben betätigte er sich auch musikalisch als Leiter eines Gesangvereins und als örtlicher Musikbeauftragter.

Wegen körperlicher Behinderung zunächst vom Wehrdienst zurückgestellt, musste er 1944 dann doch noch zum Kriegsdienst bei der Marine. Nach der Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft verschlug es ihn zunächst nach Nordhorn, wo er auch seine Wiedereinstellung in den Schuldienst erlebte. Am 1. November 1948 wurde er dann nach Hagen an die seit Ostern 1948 bestehende evangelische Schule versetzt.

Konrad Hinze fand sich in Hagen und mit seiner Schule in einer doppelten Minderheitensituation wieder: als evangelischer Christ und als Vertriebener. Und es kennzeichnet seine Persönlichkeit, dass er sich engagiert für die Respektierung und Gleichstellung der evangelischen Schule, die ja gleichzeitig eine Schule von Vertriebenen war, und die aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Hagen verschlagenen Menschen einsetzte.

Öffentliche Anerkennung verschaffte er seiner Schule gleich im Jahre 1948 mit einer gelungenen Weihnachtsfeier der Schule im Saale Kriege, von der auch in der lokalen Presse berichtet wurde. Sowohl die Geistlichkeit beider Konfessionen als auch der Bürgermeister und der Vertreter der katholischen Schule sprachen Grußworte und äußerten sich anerkennend. Dennoch musste Hinze um die Anerkennung als eigenständige evangelische Schule noch kämpfen. Das sei an drei Vorkommnissen erläutert, von denen die Schulchronik berichtet:

Als Fräulein Krochmann – die evangelische Schule war als zweiklassige Schule gegründet worden – längerfristig erkrankte und Konrad Hinze die mehr als 110 Kinder allein versorgen sollte, wurden die Kinder des 1. und 2. Schuljahres in der katholischen Schule untergebracht und zeitweise Fräulein Nagel von dort mit 15 Stunden an die evangelische Schule abgeordnet. Das führte1949 zu erregten Protesten in der Elternschaft, die „die konsequente Einhaltung der evangel. Bekenntnisschule“ verlangte. „Der Lehrer versuchte, einen Kulturkampf in Hagen zu verhindern.“

Die evangelische Schule lebte in einer  Symbiose mit der katholische Schule, sie war in deren Räumen untergebracht, nutze deren Turnhalle und auch die dortigen Lehr- und Unterrichtsmittel. Aber Hinze ging es um das Selbstverständnis seiner Schule und so protestierte er 1952 sehr heftig gegen diese Zustände beim Schulvorstand: „Nennen Sie mir eine kath. Schule im ganzen Regierungsbezirk, die 4 Jahre besteht und kein eigenes Inventar besitzt! Darum auch hier: Gleiches Recht für alle! Stellen Sie ihre Schulfreudigkeit auch bei der Ev. Schule einmal unter Beweis.“

Als es 1963 auf seine Pensionierung zuging, sorgte er sich um das Wohlergehen und den Fortbestand der eigenständigen evangelischen Konfessionsschule. Er war bereit, ein halbes Jahr vorher seine Dienstwohnung zu räumen, damit sie gründlich modernisiert werden konnte, um für einen Nachfolger ein attraktives Wohnungsangebot zu haben. Als die Planungen sich hinzogen, äußerte er vor dem Schulzweckverband: „ Sie verfechten das Elternrecht, müssen es der Minderheit aber gleichfalls zuerkennen ... Die Auflösung dieser Schule würde die Umwandlung der kath. Volksschule St. Martin in eine Gemeinschaftsschule zur Folge haben.“

Nur drei Monate nach der oben erwähnten Weihnachtsfeier gab es am 20 März 1949 einen großen Elternabend, in dem die verlorene Heimat der Flüchtlinge und Vertriebenen und die Suche nach einer neuen Heimat im Mittelpunkt standen. Besonderes Interesse fand auch eine Mappe mit den Flucht- und Vertreibungsgeschichten seiner Schüler, die er im Winter 48/49 hatte schreiben lassen. Ihm ging es darum, die schrecklichen Erinnerungen der Kinder festzuhalten, aber auch das Erlebte von ihnen verarbeiten zu lassen.

Die Situation der Ostdeutschen in Hagen war also sein zweites großes Thema neben der Schule. Dass er seine Überzeugungen zu vertreten und durchzusetzen wusste, sahen wir bereits. Und so wurde er geradezu selbstverständlich zum Sprecher der in Hagen gestrandeten Flüchtlinge und Vertrieben und ihrer Organisation, dem „Bund vertriebener Deutscher“. So sehen wir ihn im 1955 gedrehten Hagener Heimatfilm unter den örtlichen Honoratioren; als solcher hielt er zum Beispiel auch eine Ansprache bei der Einweihung des Ehrenmales für die Gefallenen der Weltkriege auf dem Friedhof an der heutigen Schopmeyerstraße im Jahre 1957.

Nach seiner Pensionierung zog Konrad Hinze nach Belm, wo er weiterhin aktiv blieb in der Arbeit für die Heimatvertriebenen und als Heimatforscher. Schon in Hagen hatte er sich als Ortsfremder sehr bald intensiv mit der Hagener Geschichte beschäftigt und zahlreiche Aufsätze verfasst. Hermann Herkenhoffs „Chronik und Heimatbuch“ von 1976 enthält allein 16 Beiträge von Konrad Hinze, der damit etwa ein Viertel des Buches geschrieben hat. Am 30. 12. 1980 starb Konrad Hinze nach langer schwerer Krankheit in Belm.

Literaturempfehlungen:
-    16 Beiträge von Konrad Hinze in: Hagen a.T.W. – Chronik und Heimatbuch.    
-    Aus  der Vergangenheit in die Gegenwart. Bearbeitet von Hermann Herkenhoff. Hagen 1976.
-    Die Beiträge „Lehrer Hinze – Gedanken“, „Flüchtlingsgeschichten“ und „Vor zwanzig Jahren“ in: Doris Schönhoff (Hrsg.), Menschen Bilder und Geschichten. Alltägliches aus Hagen, Hasbergen und Georgsmarienhütte. Lengerich 2003. S. 213 – 238
-    Die Geschichte der evangelischen Volksschule in Hagen ist dargestellt in: 
-    Johannes Brand, Rainer Rottmann, Helga Witte: Geschichte der Schulen in der Hagener Obermark, Hagen a.T.W. 2011, S. 216 - 22


Anmerkung:
Dieser Beitrag ist neben vielen anderen in unserem Buch „Hagener Geschichten“ enthalten.

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