Wie die Melanchthongemeinde zu ihrem Kirchengrundstück kam

aus: Nachrichten aktuell Hagen a.T.W. 2/2014, S. 41-43

Wie die Melanchthongemeinde zu ihrem Kirchengrundstück kam

Johannes Brand

Ein Zeitungsartikel über das Schulgebäude in Natrup-Hagen weckte in Pastor i.R. Günther Detering alte Erinnerungen an seine Amtszeit in Hasbergen, von denen er den Autor erzählte. Den wiederum reizte es nun, einmal den Sachverhalt genauer zu untersuchen. Notwendig erscheint aber, kurz zu berichten über die wechselnde Zugehörigkeit der evangelischen Christen in Natrup-Hagen zu verschiedenen Kirchengemeinden.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Entscheidung, dass das Kirchspiel Hagen wieder katholisch sei, wechselten im Laufe der folgenden Jahrzehnte die meisten Hagener evangelischen Christen wieder zurück zur katholischen Konfession. Nur in Natrup-Hagen blieb eine größere Zahl von Menschen evangelisch, genauer evangelisch-reformiert. Grund dafür war die rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit vom Stift Leeden und die Nähe zur dortigen Kirche. Als Hagen im Wiener Kongress 1815 politisch zu Hannover kam – Leeden gehörte zu Preußen – wurden die evangelischen Christen zunächst der evangelischen Kirchengemeinde Iburg zugeordnet, bis im Jahre 1901 eine evangelische Kirche in Hasbergen gebaut wurde. Für einige Jahre gehörten die Natrup-Hagener Protestanten nun dorthin, bis im Jahre 1910 ihr Wunsch in Erfüllung ging, kirchlich nach Leeden eingemeindet zu werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten aufgrund von Flucht und Vertreibung viele evangelisch-lutherische Christen in alle Ortsteile von Hagen zu. Nun wurde die Obermark der Apostelkirche in Sutthausen und die Niedermark wieder der Christuskirche in Hasbergen zugeordnet, bis dann 1974 eine selbstständige evangelische Kirchengemeinde Hagen gegründet wurde.

Nun müssen wir ein wenig in die Geschichte der evangelischen Volksschule in Natrup-Hagen einsteigen. Eine richtige einklassige evangelische Volksschule wurde in Natrup-Hagen1846 eingerichtet. Da die kleine evangelische Schulgemeinde die finanzielle Last alleine nicht schultern konnte, erhielt man schon damals Unterstützung vom Gustav-Adolf-Verein, einer Einrichtung der evangelischen Kirche, die Kirchengemeinden in der Diaspora unterstützt, also in Gebieten, wo die Angehörigen der eigenen Konfession in der Minderheit, der „Zerstreuung“, sind. Das dritte Schulgebäude, erstmals ein solider und repräsentativer Schulbau, wurde 1887 an der Ecke Lengericher Straße/Bahnhofstraße errichtet.

Die evangelische Schule in Natrup-Hagen von 1887. Das Grundstück war bis 1963 auf die Schulgemeinde Natrup-Hagen eingetragen und wurde nun geteilt. Der Teil mit dem Schulgebäude wurde verkauft, der andere Teil auf die Kirchengemeinde Hasbergen übertragen

1962/63 wurde gleichzeitig zur Schulerweiterung in Gellenbeck ein Schulneubau in Natrup-Hagen an der Stresemannstraße errichtet. Es war schon lange der Wunsch der evangelischen Volksschule gewesen, von der inzwischen verkehrsreichen und lärmbelasteten Lengericher Straße wegzukommen. Der Neubau nahm nun als Außenstelle der katholischen Volksschule Gellenbeck in drei Klassenräumen die katholischen Grundschüler aus Natrup-Hagen auf und in einem vierten Klassemraum die einklassige, inzwischen zur Grundschule geschrumpfte evangelisch Volksschule Natrup-Hagen. Sie erhielt das größte Raumangebot: Dem Klassenraum war durch eine Schiebetür getrennt, ein Gruppenarbeitsraum angeschlossen.

Nachdem seit 1956 an jedem zweiten Sonntag ein evangelischer Gottesdienst in der Gellenbecker Schule gehalten worden war, wurde dieser dann nach Fertigstellung der neuen Schule dorthin in den Klassenraum der evangelischen Volksschule verlegt.

Im Zusammenhang mit diesem Schulneubau sollte das Gebäude von 1887 verkauft werden. Bei der Auflösung des Schulinventars war auch der damalige Pastor der Christus-Kirchengemeinde, Günther Detering, beteiligt. Dabei fand er in den Archivunterlagen einen Beleg aus dem Jahre 1910 über eine Zuwendung des Gustav-Adolf-Vereins – nach seiner Erinnerung für einen Schulneubau – über 10.000 Mark an „die evangelische Schulgemeinde in Natrup zu Hagen“. Da 1910 aber keine neue Schule gebaut wurde, ist die Dotation des Gustav-Adolf-Vereins möglicherweise für die Ablösung eines Kredits über 10.000 Mark vorgesehen gewesen, den man 1887 bei der Klosterkasse in Hannover aufgenommen hatte.

Da dieser Beleg im Archiv der Christuskirchengemeinde in Hasbergen nicht mehr aufzufinden ist, müssen wir den Erinnerungen von Pastor Detering folgen, wie er sie 2003 in der Festschrift zum 30-jährigen Bestehen der evangelischen Kirchengemeinde Hagen aufgeschrieben hat:

„Und so machte sich der Pastor mit dem damals dort zuständigen Kirchenvorsteher Remus auf den Weg ins Grundbuchamt in Iburg. Der Pastor in Schwarz, Erwin Remus in Polizeiuniform. Das vermittelte virtuelle Autorität. Da wurde ihnen beflissentlich Einblick gewährt. Und was fanden die beiden? Das alte Schulgebäude war immer noch eingetragen auf den Eigentümer ‚Evangelische Schulgemeinde‘, unterschrieben 1910 vom damaligen Schulgemeindevorsitzenden Pastor Meyer aus Hasbergen und gesiegelt mit dem heute noch gültigen Kirchensiegel der Hasberger Kirche. Nun war doch klar, irgendein Teil von den 10.000,- Goldmark müsse für eine aktuelle Zweckverwendung in der Region gefordert werden. Der Kirchenvorstand Hasbergen wurde diesbezüglich vorstellig bei der zuständigen staatlichen Behörde und das führte, um einen teuren Rechtsstreit zu vermeiden, zu einem ausgewogenen Vergleich […].“

Das Schulgrundstück an der Bahnhofstraße wurde geteilt, das Schulgebäude mit einem Teil des Grundstücks verkauft, der andere an der heutigen Berliner Straße gelegene Teil auf die Kirchengemeinde Hasbergen übertragen. Und Pastor Detering fährt fort: „Und eines Tages wurde das Grundstück der alten Schule eingetauscht gegen das, auf dem heute das Kirchenzentrum steht.“

Dieser „Tausch“ lässt sich nun im Archiv der Kirchengemeinde in Hasbergen im Einzelnen nachvollziehen: Im Jahre 1968 wurden Überlegungen im Kirchenvorstand angestellt, in Natrup-Hagen ein eigenes Gemeindehaus zu errichten. Man dachte an einen „Gemeinderaum für Konfirmandenunterricht und Gruppen im Erdgeschoß mit sanitären Einrichtungen. Darüber unter Einbeziehung des Dachraumes einen Kapellenraum, der auch für Gemeindeveranstaltungen geeignet ist. Dazu eine Einliegerwohnung und das alles unter einem Dach.“ (Schreiben des Kirchenvorstands an das Landeskirchenamt vom 22.08.1968). Man sprach bewusst nicht von einem „Gemeindezentrum“ und an eine selbstständige Kirchengemeinde Hagen dachte noch niemand. Ursprünglich wollte man wohl auf dem kircheneigenen Grundstück an der Berliner Straße – damals bereits ein Baugebiet – bauen. Dieses 1413 qm große Grundstück dürfte das sein, das nach Pastor Detering 1963 in den Besitz der Kirchengemeinde überging. Dann aber wollte man sich doch zentraler in der Niedermark etablieren und wurde mit der Familie Strothmann handelseinig, das noch unerschlossene 2000 qm große Grundstück an der Ecke Natruper Straße/In den Fleeten für 18.000 DM zu erwerben. Der Kaufvertrag wurde am 10. September 1970 abgeschlossen. Im Jahr darauf gelang es dann, das bereits erschlossene Grundstück an der Berliner Straße für 24.495 DM zu verkaufen, sodass ein deutlicher Überschuss erzielt werden konnte, der auf Anweisung des Landeskirchenamtes für den „Erwerb von gut verpachtbarem Ersatzland zu verwenden“ war (Kaufvertrag vom 19.08.1971).

Nach dem Zusammenschluss der politischen Gemeinden Niedermark und Hagen im Jahre 1972 hielt man es dann aber für sinnvoller, zum 1. Januar 1974 eine eigene evangelische Kirchengemeinde in Hagen zu begründen und auf dem Grundstück an der Schumacherstraße ein Kirchenzentrum für diese neue Gemeinde zu errichten, das dann am 28. August 1977 eingeweiht werden konnte.

Der Autor dankt Herrn Pastor i.R. Günther Detering, Osnabrück, für anregende Informationen und Herrn Egon Driemeyer, Hasbergen für Unterstützung bei der Suche im Archiv der Christus-Kirchengemeinde Hasbergen.

Quellen:

Archiv der ev.-luth. Kirchengemeinde Hasbergen: Ordner 13, R. 411 Kauf – Verkauf – Tausch

Neues von Melanchthon. Unser Gemeindebrief. Sonderausgabe 30 Jahre ev. Kirchengemeinde Hagen a.T.W.

 

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